Schätze die positiven Dinge...

Eine leere Tasse, die geduldig auf Tee wartet.

Schätze die positiven Dinge, die aus dem Nichts entstehen

Die Praxis des Nicht-Hinzufügens

Es war einmal ein Gelehrter, der eine Heilige besuchte. Nachdem er eine Weile geredet und argumentiert hatte, bot die Heilige ihm einen Tee an. Langsam füllte sie die Tasse des Gelehrten. Allmählich stieg der Tee bis zum Rand der Tasse und ergoss sich auf den Tisch, aber sie goss immer weiter und weiter. Der Gelehrte rief: „Aufhören! Sie können nichts hinzugeben, wenn es schon voll ist!“ Die Heilige setzte die Teekanne ab und sagte: „Genau.“

Sei es die leere Leinwand für den Maler, die Stille zwischen den Noten in der Musik, frische Erde für den Garten, die nicht-wissende Offenheit eines Wissenschaftlers, der eine neue Hypothese erforscht, ein unbenutztes Fach in einem Regal oder einem Schrank oder etwas freie Zeit in deinem Tagesablauf – du brauchst Platz, um effektiv zu handeln, mit deinen Partnern zu tanzen und Raum, um deine emotionalen Reaktionen zu erfahren.

Doch die meisten von uns, mich eingeschlossen, neigen dazu, so viel Zeug wie möglich in den Raum, der ihnen zur Verfügung steht, hineinzustopfen: in den Raum in Schränken, Zeitplänen, Haushaltsplanungen, Beziehungen und sogar in den Geist selbst.

Zeit für Freizeit, Reflexion und Kreativität

Ich habe mich zum Beispiel in der letzten Zeit nach einigen medizinischen Eingriffen versucht zu entspannen und zu erholen. Da wurde es schmerzhaft spürbar, wie sehr mein Verstand mit Dingen meiner Arbeit gefüllt ist. Kleine Dinge, die ich tun muss, Probleme, die vermieden werden müssen und Gelegenheiten, die zu ergreifen sind, kamen in meinem Verstand an die Oberfläche des Bewusstseins, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Für eine Freundin von mir besteht die Tapete ihres Verstandes (so nannte sie es) aus Sorgen um ihre Gesundheit.

Auch Kulturen können überfüllt werden. Als ich beispielsweise Australien besuchte, schien es, dass die meisten Leute dort ungefähr 85 % ihrer Belastungsfähigkeit lebten, während meine Erfahrung bei Amerikanern (also bei mir) so ist, dass wir unsere Kapazitäten wenn möglich bis zu 100 % drücken. Wenn man also in Australien jemanden auf der Straße trifft, den man kennt, dann hat die Person Zeit, mit dir zu reden – und auch Zeit in ihrem eigenen Leben für Freizeit, Reflexion und Kreativität.

Erinnere dich an die Tasse: Ihr Wert besteht in dem Raum und der Leere, die sie enthält.
Sei achtsamer für das Element des Raumes, der Offenheit, der Möglichkeiten, der Reserven und der Leerheit in deinem Leben. Dazu gehört der Raum in einer Schublade, die Menge von Luft in der Küche, das Vakuum in einer Glühbirne, die Offenheit eines Freundes oder wenig Verkehr auf der Autobahn. Schätze bewusst die positiven Dinge, die aus dem Nichts entstehen.

Was ist die „Tapete“ in deinem Verstand? Was sind tägliche Gedanken, die im Verstand wie Unkraut wuchern und sich im ganzen Garten ausbreiten? Zu den üblichen Verdächtigen gehören immer wiederkehrende Sorgen, Probleme bei der Arbeit, Missgunst und nachtragende Gedanken. Versuche, achtsamer mit diesen Dingen zu sein und distanziere dich schneller von ihnen, wenn sie die Kontrolle übernehmen wollen. Richte deine Aufmerksamkeit auf etwas Positives und Interessantes und versuch dich dann tiefer auf diese Sache einzulassen.

Manchmal hast du einfach einen großen Eimer von Dingen vor dir, die du erledigen musst. Das hab ich auch schon erlebt … ich meine, das erlebe ich andauernd! Aber dann leere den Eimer wenigstens schneller, als dass du ihn mit neuen Aufgaben füllst.

Gib dir etwas Raum zwischen dem Ende einer Aufgabe und dem Beginn einer neuen. Nachdem du zum Beispiel eine E-Mail verschickt hast, atme tief durch, bevor du die nächste beantwortest. Mach eine Pause, wenn das Geschirr abgewaschen ist. Lass bei einem Gespräch das Ende eines Themas eine Weile nachklingen, bevor du mit dem nächsten beginnst. Nimm dir wirklich Zeit für das Mittagessen.

Wirf die Sachen ab, die du nicht länger mit dir herumschleppen kannst

Auf ebener Erde kannst du gut mit einem Ziegelstein in deinem Rucksack laufen, aber wenn du einen Berg hinauf wanderst, muss dieser Ziegelstein raus. Genauso haben wir alle einige Gewohnheiten, Vorlieben, Ideen, nachtragende Gedanken oder Anhaftungen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt ganz ok waren, aber die dich nun – in anderen Umständen (wie zum Beispiel mehr Aufgaben, der Gründung einer Familie oder dem Alter) – aufhalten und wirklich losgelassen werden müssen.

  • Was ist dein Ziegelstein?
  • Was würdest du gewinnen, wenn du deinen eigenen Rucksack leeren würdest?

Erforsche die Praxis des Nicht-Hinzufügens als eine Möglichkeit des Entleerens und des Wenigerwerdens:

  • In einem Streit nicht mit einer schnippischen Antwort zurückzufeuern…
  • Nicht zu behaupten, dass man die richtige Antwort schon wüsste…
  • Keine neue Verpflichtung einzugehen…
  • Nicht noch mehr Zeug auf den Ladentisch zu legen…
  • Nicht noch mehr Selbstkritik anzuhäufen…

Erfreue dich an der Leerheit in den Formen, die dich ansprechen: Vielleicht die Stille in der Nacht, wenn alle außer dir schlafen, eine leere Seite in deinem Tagebuch, das offenherzige Zuhören eines Freundes, eine leere Arbeitsfläche, wenn du mit dem Kochen beginnst (das mag ich sehr gerne), eine Lücke in deinem Tagesablauf, der Raum zwischen den Gedanken, wenn sich dein Verstand beruhigt und still wird, oder ein Samstag ohne Pläne.

Oder eine leere Tasse, die geduldig auf Tee wartet.

 

Dieser Artikel stammt von Rick Hanson, Autor des Buches Das Gehirn eines Buddha. Übersetzung: Arbor Verlag/Mike Kauschke. Im November 2012 erschien im Arbor Verlag das gleichnamige Buch zum Newsletter: Just 1 Thing – So entwickeln Sie das Gehirn eines Buddha. Dieser Beitrag unterliegt der Creative Commons Lizenz. Urheber: Arbor Verlag/Rick Hanson

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